Ende Winterruhe, NAJADE und Crew freuen sich auf den Hafengeburtstag in Hamburg. Der Besuch am grössten Hafenanlass weltweit wird im Mai unsere Reise 2025 eröffnen. Danach steuern wir Holland an. In Friesland suchen wir im Herbst ein Winterquartier.
Der zweite Winter in Mölln ist vorbei. In der Halle 12 ist künftig kein Winterlager mehr vorhanden. Die Davidswerft zieht aus, der Standort Mölln am Elbe-Lübeck-Kanal wird aufgegeben. Die Werft konzentriert sich auf ihren neuen Hauptsitz in der Marina am Stau zwischen Lübeck und Travemünde. Der Hafen liegt direkt an der Trave, gut geschützt hinter der Herreninsel. Der Wegzug aus Mölln hat einen Hauptgrund: Der Elbe-Lübeck-Kanal ist kein zuverlässiger Wasserweg mehr. Seit Oktober wird an der Donnerschleuse gebaut. Somit ist der Kanalabschnitt in Richtung Lübeck gesperrt. Erst Ende Mai soll die Durchfahrt zur Ostsee wieder möglich sein. Für eine Werft bedeuten derart lange Sperrungen das wirtschaftliche Aus. In der Öffentlichkeit und der Politik läuft die Diskussion über diese untragbare Situation. Die Geschäftsleitung der Davidswerft wird in den nächsten Tagen besucht von einem Kamerateam des Norddeutschen Rundfunks erhalten, das die Kanalsperrung in einem TV-Bericht thematisieren will.
Donnerstag 17. April 2025, Einwassern in Mölln: Nach sechs Monaten Winterpause ist das Bereitmachen eines Schiffes stets mit Fragezeichen verbunden. Hat NAJADE die kalte Jahreszeit in der Halle gut überstanden? Sind Technik und Motor heil geblieben? Klappt das Kranen der schweren und dicken Dame? Diesmal liegen unsere Sorgen jedoch auf einer anderen Ebene, bei unserem Auto. Auf der 950 Kilometer langen Fahrt aus der Schweiz nach Norddeutschland treten plötzlich Vibrationen am linken Hinterrad auf. Wir stoppen auf dem nächsten Parkplatz und schauen nach. Das Rad ist sehr heiss, ein Zeichen, dass die Bremse nicht mehr vollständig löst. Wir steuern eine Werkstatt an, um den Schaden zu behebn. Doch dort winkt man ab: Osterwoche, kein Personal, kein Termin frei! Der Werkstattleiter rät uns, vorsichtig weiter zu fahren und ab und zu das Rad abzukühlen. So machen wir es. Gegen Abend erreichen wir das Hotel Waldeslust in Mölln, Hier haben wir schon vor einem Jahr bestens übernachtet.
Dienstag und Mittwoch bringen wir NAJADE in der Halle auf Vordermann und unser Auto wird nach Lübeck zur Reparatur abgeschleppt. Am Schiff stellen wir keine negativen Überraschungen fest. Alles ist in Ordnung. Die Batterien haben die sechs Monate ohne Anschluss ans Ladegerät bestens überstanden, die Smartmeter zeigen immer noch 90 Prozent Kapazität an. Wir übermalen einige Rostflecken, ziehen den Wasserpass neu und flicken Kleinigkeiten. Der Einbau des abgedichteten Wärmetauscher klappt bestens. Alle Verbindungen sind dicht, somit können wir den inneren Kühlkreislauf mit neuem, gelbem Volvo-Penta-Frostschutz auffüllen. Gut 20 Liter Kühlflüssigkeit passen in den Motor.
Am Mittwochnachmittag wird NAJADE ins Freie gezogen, damit am Donnerstagmorgen um 10 Uhr der Transport in den nahen Hafen ohne weitere Rangiermanöver erfolgen kann. Kurz nach 11 Uhr schwimmt unser Schiff wieder. Der Motor springt beim ersten Versuch an. Wir verabschieden uns definitiv von der Crew der Davidswerft und verholen in den nahen Hasfen der Wassersportvereins Mölln. Dort parken wir NAJADE bis zum 2. Mai 2025. Dann beginnt unsere diesjährige Reise. Der erste Höhepunkt ist gesetzt. Unser Gesuch für einen Liegeplatz im City Sporthafen Hamburg während des Hafengeburtstags wurde positiv beantwortet. Somit werden bei diesem Riesenfest vom 9. bis 11. Mai mittendrin sein.
→ Video: Ausfahrt aus der Halle (Zeitraffer)
→ Video: Mit dem Kran ins Wasser (Zeitraffer)
Sonntag 4. Mai 2025: Mölln-Lauenburg: Am Freitag 2. Mai haben wir es wieder gewagt. Wir wollen mit der Deutschen Bahn nach Mölln reisen. Und wieder einmal hat es nicht so geklappt, wie geplant. Zwei Monate im Voraus haben wir die Zugsfahrt gebucht, inklusive Sitzreservationen. Kurz später meldet sich die DB mit einer "Wichtigen Information an die Fahrgäste". Unsere Zugsverbindung fällt offenbar aus. Das bereits bezahlte Sparticket wird von der Zugsverbindung befreit. Wir beginnen mit der Planung nochmals von vorne und reservieren in zwei früher abfahrenden Fernverkehrszügen Sitzplätze ab Basel. Doch hoppla, auch diese Verbindung scheitert am Reistetag, Verspätungen verunmöglichen das fahrplankompatible Umsteigen in MannheimUmsteigen. Nun steigen wir in Basel ohne Reservation in den ICE und machen es uns in einem Abteil bequem, das jedoch ab Frankfurt als reserviert bezeichnet ist. Alles gut, doch in Freiburg gibt der Lokführer durch, dass seine Maschine störungsbedingt nicht mehr weiterfahren möchte. Nach einer halben Stunde dann die gute Nachricht: wir können wieder fahren. Die Panne hat einen Vorteil. Wir kommen derart verspätet in Frankfurt an, dass die Fahrgäste für unsere Sitzplätze scbon längst abgereist sind. Ohne weitere unvorhergesehene Zwischenfälle erreichen wir unbeschadet Mölln. Die letzte Etappe absolvieren wir in einer Weltneuheit: dem ersten Batterie-Zug von Stadler-Rail.
Die Nacht an Bord sorgt für einen entspannten aber leicht unterkühlten Schlaf. Am Morgen weckt uns die wärmende Sonne. Das Frühstück wird an Decck serviert. Ferienbeginn! Arbeiten am Schiff heisst das Motto für Samstag. Wir schruppen das Deck und kriechen durch den Motorraum. Die Maschine erhält frisches Öl und saubere Filter. Der Versuch, den Geber des 50 Jahre alten Seafarer-Echolots zum Leben zu erwecken, scheitert. Altersbedingt ist das Kabel direkt oberhalb des Gebers abgebrochen. Nur noch ein paar Litzendrähte lassen sich kopfüber mit dem Lötkolben erreichen. Zwar kommt ein Signal durch das Ersatzkabel, aber für eine klare Tiefenanzeige reicht es nicht.
In der Nacht frischt der Wind auf, und zwischendurch regnet es. Wir starten Richtung Hamburg. Entgegenkommende Schiffe fehlen. In Ricjhtung Lübeck ist der Elbe-Lübeck-Kanal unpassierbar. Seit einem halben Jahr ist die Donnerschleuse defekt. Die Reparatur soll sich bis zum 25. Mai hinziehen. Grundwasser drückt von unten die frisch betonierte Grundplatte in der Kammer hoch. Taucher versuchen nun, den Wassereinbruch zu stoppen.
Auch in Richtung Elbe läuft nicht alles reibungslos. Gestern war die Schleuse Witzeeze wegen Unterhaltsarbeiten geschlossen. Heute soll sie in Betrieb sein. Auf den Funkanruf antwortet jedoch niemand, und das Einfahrsignal steht auf Doppelrot. Wir warten ab. Doch dann erlischt eine der roten Leuchten, aha, es tut sich was. Wenig später schliesst sich das talseitige Tor, die Kammer kommt hoch und wir können schleusen.
Noch schneller lässt uns die Schleuse Lauenburg durch. Wir sind am Ziel. Schiffe über 10 Meter Länge müssen sich vor dem Anlegen am Schwimmsteg des Wasser-Sport-Clubs Lauenburg beim Hafenmeister melden. Das machen wir. Sehr freundlich wird uns die Stegnummer zugewiesen. Der Hafen ist klein, aber zweckmässig. Doch heute sind die freie Liegeplätze rar. Nicht nur der ELK ist gesperrt, sondern ebenfalls das Schiffshebewerk Lüneburg-Scharnebeck am Elbe-Seitenkanal, auch die Elde-Müritz-Wasserstrasse ist bis auf weiteres nicht durchgehend befahrbar, und die Elbe glänzt mit sehr niedrigem Pegel. Deshalb: Stau in Lauenburg!
Gefahrene Distanz: 35 km, 2 Schleusen (Motor: 3340 Stunden)
Freitag 9. Mai 2025, Hamburg, Paraden Hafengeburtstag
Seit Montag liegen wir im City Sporthafen Hamburg und geniessen die einmalige Hafenatmosphäre. Die Hansestadt ist einfach toll. Ab Mittwoch spürt man das ansteigende Festfieber rund um den 836.Hafengeburtstag. Hunderte von Verpflegungsständen werden aufgebaut, kilometerweit Absperrgitter, und als am Donnerstagabend das erste Mal die schwimmende Konzertbühne vor den Landungsbrücken probehalber platziert wird, bleibt der Mund offen. Einfach gigantisch!
Unterdessen ist der Sportboothafen platschvoll. Am Freitag machen sich alle für die das Mitfahren an der Einlaufparade bereit, Flaggen montieren, Fender putzen, Deck schruppen. NAJADE strahlt, und wir sind ein wenig aufgeregt, weil sich draussen auf der Elbe eine Armada von historischen Grosseglern, Marinekreuzern, Behördenschiffen und ein Eisbrecher aufreiht. Dann läuft die CAP SAN DIEGO, das Wahrzeichen an den Landungsbrücken, aus. Nun sind die Kleinen an der Reihe. Die Flotte bewegt sich elbeabwärts, kreuz und quer bahnen sich Barkassen und Ausflugschiffe gnadenlos ihren Weg durchs Geschwader. Hupend, schimpfend, am Funk gehen die Wellen hoch, doch nur die Ruhe kann es bringen. Unbeschadet erreichen wir den Köhlbrandhafen, wo wir auf den offiziellen Paradenstart warten. Die Verkehrsdichte zu diesem Zeitpunkt illustriert das Plotter-Bild mit den AIS-Signalen (Einsatzplan Sportboote City Sporthafen).
Flussaufwärts reihen sich die unzähligen Sportboote zwischen den dicken Pötten wieder ein. Gemächlich geht es zurück zur Marina. Unterwegs stockt der Zug, wir verkriechen uns in das Werfthafenbecken und drehen Warteschlaufen‘
Montag 12. Mai 2025: Hamburg-Stade
Welch ein Unterschied: Gestern Sonntag feierten wir im proppenvollen City-Sporthafen den letzten Tag des Hafengeburtstags in Hamburg, heute liegen wir 35 Kilometer flussabwärts im Stadthafen von Stade. Es ist sehr ruhig hier, der schnelle Takt der Grossstadt ist von ländlicher Bedächtigkeit abgelöst worden, schön und entspannend.
Von der Elbe führt der Fluss Schwinge nach Stade, ein Tidengewässer, das beinahe trockenfällt. In Hamburg haben wir uns informiert. Eine Stunde vor und eine Stunde nach Hochwasser passt, sagten die einen. Nein, meinten andere, ihr kommt auch bei Niedrigwasser in den Hafen. Wir wählen die sichere Variante und peilen die Ankunft in Stade auf 16.30 Uhr an, dann, wenn die Tide am höchsten ist. Dies hat den Nachteil, dass wir Hamburg bei Niedrigwasser verlassen, also gegen den Strom elbeabwärts fahren. Dies kostet ein wenig Tempo und ein paar Liter Diesel, doch garantiert uns eine unbeschwerte Zufahrt in den Stadthafen Stade. So ist es dann auch. Punkt 16.30 Uhr sind die Leinen fest, und schon senkt sich der Pegel abwärts.
Nach dem Trubel des Hafengeburtstags ist die Elbe heute leer. Ein paar Binnenschiffe kommen uns entgegen. Kurz vor der Mündung der Schwinge in die Elbe taucht dann doch noch ein Gigant auf, die ONE TRUTH, ein Mega-Carrier der 400-Meter-Klasse mit mehr als 20‘000 Containern an Bord. Wir staunen, und verdrücken uns ganz nah den Rand der Fahrrinne, nach dem Motto „Der Klügere gibt nach“.
Hafeninfo: Der Stadthafen wird von den Stadtwerken betreut. Laut Website können die Liegeplätze via BoatPark reserviert und bezahlt werden. Wir befolgen den Tipp. Es funktioniert nur tweilweise. Die Liegegebühr lässt sich online abrechnen (13.50 €, inkl. Strom und Duschen), aber die Liegeplätze sind in der App nicht anwählbar und der Zugangscode zum Sanitärgebäude wird nicht übermittelt. Der Hafenmeister hat an der BoatParking-Dienstleistung deshalb keine Freude und schimpft nur. Achtung: Die an der Tafel von Hand notierten Tidenzeiten stimmen nicht zuverlässig.
Gefahrene Distanz: 35 km (Motor: 3358 h).
Mittwoch 14. Mai 2025: Stade-Wischhafen: Wieder mal eine Premiere: NAJADE fällt erstmals trocken. Normalerweise wünscht man sich ja eine Handbreit Wasser unter dem Kiel, doch im Yachthafen Wischhafen bleibt dies ein frommer Wunsch. Die Zufahrt durch die Frischhafener Süderelbe leert sich bei Niedrigwasser fast vollständig.
Die heutige Etappe haben wir intensiv kalkuliert, Wasserstandvorhersagen studiert und beim Hafenmeister Rat geholt. Doch in der Rückschau gibt’s für die Rechenarbeit aber nur die Bewertung „genügend“. Obwohl wir am Morgen um 04.15 Uhr noch vor dem Hochwasser in Stade losgefahren sind, fehlen am Schluss einige Zentimeter. Wir erreichen den Liegeplatz beim Wischhafener Yachtclub Niederelbe nicht mehr ganz und stecken kurz vor dem Ziel fest. Zwischen Schiff und Schwimmsteg bleibt eine meterbreite Lücke frei. Diese überbrücken wir mit der Gangway. Nun warten wir auf das Hochwasser, um NAJADE optimal belegen zu können.
Hafeninfo: Der Wischhafener Yachtclub Niederelbe tritt mit einer wunderschönen Website auf, die gluschtig macht. Man kann sogar mittels Formular einen Liegeplatz reservieren. Nur, eine Antwort kommt nicht zurück. Und die angekündigte Präsenz eines Hafenmeisters korrigiert ein Aushang: "Aktuell ist das Amt des Hafenmeisters nicht besetzt". Trotzdem ist der Hafen sehr schön und gastfreundlich. Sogar eine kleine Küche steht zur Verfügung. Duschen kostet 2x1€ für 6'. Mit unserem Tiefgang von 1,1 m haben wir zweieinhalb Stunden nach Hochwasser den Schwimmsteg nicht mehr erreicht.
Gefahrene Distanz: 29 km (Motor: 3362 h)
Donnerstag 15. Mai 2025, Wischhafen-Cuxhaven
In Wischhafen erreicht die Tide am Morgen etwa um 6 Uhr ihren Höchststand. Dann schliesst jeweils das Sperrwerk für drei Stunden, damit der Seitenarm der Elbe durch Spülung vom Schlamm befreit werden kann. Also timen wir unsere Abfahrt auf 05.15 Uhr. Der Himmel ist wolkenfrei, der nicht mehr ganz volle Vollmond verabschiedet sich im Westen, im Osten färbt die aufwachende Sonne den Himmel orange. Eine prächtige Kulisse für den Start in den Morgen.
Allerdings stört helles Scheinwerferlicht die Idylle. Ein riesiges Baggerschiff passiert das Sperrtor, alle Signale zeigen deshalb Doppelrot. Oh jeh, was nun? Über Funk versuchen wir das Arbeitsschiff auf diversen Kanälen zu erreichen. Keine Antwort! Man erinnert sich an den Funker-Kurs, respektive an die Möglichkeit von DSC-Anrufen. Also MMSI-Nummer des Schwimmbaggers eintippen, und einen Selektivanruf starten. Sofort meldet sich der Kapitän. Die Vorbeifahrt und die Ausfahrt in die Elbe sei kein Problem, so die gute Nachricht.
Nun geht die Sonne auf. Ein riesiges Containerschiff gleitet flussaufwärts in Richtung Hamburg. Wunderschön, ein bleibendes Bild fürs Erinnerungsalbum. Mit der ablaufenden Tide wird unsere behäbige NAJADE flink wie ein junges Reh. Und so erreichen wir Cuxhaven viel früher als geplant, und können endlich Morgenessen.
Gefahrene Distanz: 54 km (Motor: 3366 h).
Montag 19. Mai 2025, Cuxhaven-Bremerhaven
Eine Fahrt über das offene Meer ist für uns immer noch ein Abenteuer. Diesmal geht es über die Nordsee, ein Gewässer, das wir Binnenländer eher als rau und wild einschätzen. Ein mulmiges Gefühl macht sich deshalb bereit, als wir am Morgen um 8.30 in Cuxhaven die Leinen lösen. „Fahrt etwa zwei bis drei Stunden nach Hochwasser los“, hatte uns der Hafenmeister am Vorabend geraten, „dann klappt das schon.“
So ist es. Die Tide schiebt uns wie mit Rückenwind durch das schmale Fahrwasser aus der Elbemündung in Richtung Helgoland. Nach 20 Seemeilen, auf halbem Weg, verzeichnet der Tidenkalender Niedrigwasser, die Tide kippt. Ab nun rutschen wir mit der Flut Bremerhaven zu. Knapp 8 Stunden Reisezeit für etwa 50 Seemeilen, kein schlechtes Ergebnis!
Und was machte der Magen? Tja, die einen halten sich beim Abendessen beim Rotweinkonsum etwas zurück und die anderen schöpfen aus dem Vollen. Es hatte Wellen unterwegs, aber keine schlimmen, es war mehr ein stetes Schaukeln und Wiegen im angenehmen Sinn, für die einen wenigstens.
Die Einfahrt in Bremerhaven ist eindrücklicher als die Durchfahrt durch den Hamburger Hafen. Dicke Mega-Container-Riesen parken unter den Kränen, ganz nah rutschen wir daran vorbei. Im Funk hören wir Lotsen, Kapitäne und die Hafenverwaltung. Hoch spannend! Dann passieren wir die neue Schleuse und machen im neuen Hafen fest, inmitten eines neuen Stadtquartiers mit den Prachtbauten der Bremerhavener Skyline im Hintergrund.
Gefahrene Distanz: 102 km (Motor: 3375 h).
Donnerstag 22. Mai 2025, Bremerhaven-Elsfleth: Die Weser bringt uns heute weiter landeinwärts, weg von der Nordsee, und noch immer liegen grosse Frachter an den Verladekais. Vor allem Schüttgut wird verladen, aber auch Tragrohre für Windanlagen und Teile für den Flugzeuhersteller Airbus.
Der direkte Meeranschluss beeinflusst unseren Fahrplan. Die Tide spielt weiter eine wichtige Rolle. In Bremerhaven hat unser Stegnachbar, mit Heimathafen Bremen ein Kenner von Ebbe und Flut, für uns die optimalen Startzeiten ausgerechnet. Wir erhalten zwei Zettel mit allen Angaben, einen für die Abfahrt am frühen Morgen, der andere für den Start am späten Nachmittag. Wir entschädigen uns für den fachlichen Support mit frischen Brötchen für den Morgentisch.
Um 7 Uhr passieren wir die Schleuse zum Neuen Hafen. Die Weser begrüsst uns mit hohen, ruppigen Wellen. Kein Wunder, die ganze Nacht hindurch hat es in Sturmstärke aus nördlichen Richtungen geblasen. Auch heute gilt wieder eine Sturmwarnung mit Böen bis 9 bf. Uns kümmert das wenig, denn nach der ersten Biegung der Weser nehmen die Wellen deutlich ab, und auch der Wind gibt nach.
Wie vorausberechnet schiebt uns die Tide in knapp 3 Stunden nach Elsfleht. Dort biegen wir in die Hunte ein, legen am Steg beim Bahnhof an und kaufen Brötchen für das späte Frühstück. Draussen hupt es plötzlich. Gleich drei Schiffe unter Schweizer Flagge passieren uns: ZATTERA, LINNA und TARANAKI. Sie sind von Oldenburg nach Bremen unterwegs. Wir tauschen uns via Funk kurz aus und wünschen gute Fahrt.
Der Tag bringt auch schlechte Nachrichten: Erstmals seit unserem Start Anfang Mai regnet es richtig, es donnert und blitzt, und beim Anlegen holen wir uns wegen des starken Seitenwinds eine Schramme im Bug.
Hafeninfo: Die Steganlage in Elsfleth wir privat geführt. Das Liegegeld wird per Couvert in einem gelben Kasten in Stegmitte deponiert. Dort finden sich auch die Codes für den Zugang, die Dusche (2€), das WC und die Mülltonne. Für den Strombezug ist der Einwurf von 50-Cent-Münzen nötig.
Gefahrene Distanz: 34 km (Motor: 3379 h).
Freitag 23. Mai 2025, Elsfleth-Oldenburg: Die Seefahrt ist in Elsfleth im Städtchen überall präsent. Das Wahrzeichen des Hafens ist der Dreimaster „Grossherzogin Elisabeth“. Das stolze Segelschiff fährt häufig mit Ziel Nordsee aus. An Bord sind dann angehende Berufsseeleute, die an der Seefahrtsschule Elsfleth studieren. Bei der Einfahrt in die Hunte fällt an steuerbord ein Turm mit einem Rettungsboot auf. Hier üben die Studenten den Seenotfall.
Beim abendlichen Spaziergang durch die Häuserzeilen spricht uns spontan ein Einheimischer an. Er weiss viel über die Geschichte und das lokale Leben zu erzählen. Kapitäne wohnten hier, aber auch der Juwelier und Uhrmacher Gerhard Wempe, der rund um den Erdball eine Kette mit Luxusläden aufbaute.
Die heutige Törnberatung erhalten wir vom Hafenmeister des Oldenburger Yachtclubs. Er empfiehlt uns die Abfahrt so zu planen, dass wir kurz vor Mittag bei Hochwasser im Stadthafen Oldenburg ankommen. Wir hatten unseren ursprünglichen Fahrplan auf die Eisenbahnbrücke in Oldenburg ausgelegt, die bei Niedrigwasser während zwei Stunden eine Durchfahrtshöhe von >4.20 m garantiert. Das hätte einen frühmorgendlichen Start nötig gemacht.
Um 9 Uhr legen wir ab. Auf der Hunte beträgt die Höchstgeschwindigkeit 10 km/h. Gemütlich fahren wir durch eine schöne Naturlandschaft mit vielen weidenden Schafen links und rechts. Kurz vor elf Uhr kommt die Eisenbahnbrücke in Sicht. Wir nehmen via VHF-Kanal 73 Verbindung auf. Freundlich werden wir über eine kurze Wartezeit informiert. Um 11.07 Uhr fahren zwei Züge über die Brücke, unmittelbar danach schwenken die beiden Brückenhälften in die Höhe. Perfekter Service. Und genauso vorbildlich geht es im Stadthafen weiter. Ganz zuhinterst hat uns der Hafenwart auf einen freien Platz aufmerksam gemacht. Dort legen wir an. NAJADE hat nun zwei Wochen Ruhe, und wir reisen via Hamburg in die Schweiz zurück.
Hafeninfo: Beim Oldenburger Yachtclub sind wir ausserordentlich gastfreundlich aufgenommen worden. Alle Fragen konnten telefonisch geklärt werden. Wir sind überzeugt, hier lassen wir NAJADE in besten Händen zurück.
Gefahrene Distanz: 23 km (Motor: 3381 h).
Donnerstag 12.Juni 2025, Oldenburg-Dörpen: Nach zwei Wochen Heimaturlaub sind wir zurück an Bord.
Weiss und sauber, das ist unser Fenderstep. Nein, wir haben ihn nicht neu gekauft. Er ist das Ergebnis der sechs Stunden Fahrt auf dem Küstenkanal. Zwischen Oldenburg und Dörpen passiert nicht viel, und auch punkto Reiseerlebnis ist der Kanal eine eher magere Kulisse. Rechts verläuft die Landstrasse mit Verkehrslärm, links zwitschern in den Bäumen die Vögel. Zwei Kurven sind die einzige navigatorische Herausforderung. Also braucht die Mannschaft ein Beschäftigungsprogramm: Es wird gemalt, es wird am schmutzigbraunen Fenderstep gepinselt.
Der weisse Fenderstep sieht schön aus, aber nachhaltig wird die weisse Weste nicht bleiben. Die Neubeschaffung ist bereits angedacht. Ebenfalls einige neue Fender sind nötig. In der Schleuse Oldenburg wurden sie am Morgen ausgiebig getestet. „Fahrt nicht zu weit nach vorne“, hatte uns der Schleusenmeister geraten. Wir blieben ganz hinten, doch auch hier warf sich NAJADE heftig in die Taue. Zwei Fender gaben nach, ohne Schaden, aber nun wissen wir, die alten Luftballone müssen ersetzt werden.
Für die Nacht haben wir beim Wassersportverein Dörpen-Lehe festgemacht. Hier ist es sehr ruhig und sehr schön. Weil zu den Pasta für das Abendessen der Rotwein fehlt, muss noch etwas pedalt werden. Das nächste Geschäft mit dem passenden Angebot ist nur 3 Kilometer entfernt, Luftlinie! Weil diverse Kanäle und eine Eisenbahnlinie dazwischen liegen, gibt es deutlich mehr Kilometer. Aber exakt dann, als die Makaroni al dente sind, ist auch der Wein auf dem Tisch.
Gefahrene Distanz: 64 km inkl. 1 Schleuse (Motor: 3388 h).
Freitag 13. Juni 2025, Dörpen-Papenburg: Einige hundert Schleusenmanöver haben wir nun schon absolviert. Doch man lernt nie aus. Wir sind auf dem Ems-Jade-Kanal talwärts unterwegs und fahren hinter dem Frachter VOLENTA in die Schleuse Herbrum ein. Ab hier wird die Ems zum Tidengewässer, vor kurzem kippte die Tide, der Pegel ist immer noch niedrig. Der Schleusenmeister macht den Kapitän des leeren Frachters auf das Niedrigwasser aufmerksam, ein Einlaufen in die Kammer erfolge auf eigene Gefahr.
Die oberen Schleusentore schliessen sich, NAJADE ist in sicherem Abstand hinter VOLENTA vertäut, es geht abwärts. Vorne auf dem Frachter bricht plötzlich Hektik aus, offenbar sitzt das Schiff in der Schleusenkammer auf Grund. Nach dem Öffnen der talseitigen Tore versucht die VOLENTA auszufahren, was nicht gelingt. Nun legt der Kapitän den Rückwärtsgang ein und gibt Vollgas, um sich eine Rinne im Schlamm freizuschwemmen. Auf uns im Rücken nimmt er keine Rücksicht. Nur mit Motorhilfe können wir mehr schlecht als recht die Position halten. Dann gibt der Frachter volle Kraft voraus, und es schüttelt noch mehr.
100 Meter ausserhalb der Schleuse sitzt dann die VOLENTA endgültig fest. Wir nehmen Funkkontakt auf und künden ein Überholmanöver an. NAJADE schleicht sich vorbei und wir steuern emsabwärts, mit etwa einem halben Meter Reserve unter dem Kiel. Die Gegenströmung ist beachtlich, das einlaufende Wasser ist tiefbraun. Eindrücklich!
In Papenburg melden wir uns bei der Seeschleuse an und müssen nur kurz warten. Zusammen mit einem Kiesfrachter werden wir in den Hafen geschleust. Wir fahren bis zuhinterst zum Yachtclub Turmkanal zu Papenburg E.V. Das klappt erst, wenn zwei Eisenbahnbrücken und eine Strassenbrücke gehoben werden. Zuständig dafür ist das Stellwerk der Deutschen Bahn, die Passage muss telefonisch angemeldet werden. Nach 20 Minuten fährt der letzte Zug durch, sofort heben sich die Brücken, wir sind am Ziel.
Morgen gehen wir in der Meyer Werft grosse Schiffe schauen. Wer weiss, vielleicht tauschen wir NAJADE ein.
Gefahrene Distanz: 36 km, 4 Schleusen (Motor: 3394 h).
Sonntag 15. Juni 2025, Papenburg-Leer: Der Rundgang durch die Meyer Werft am Samstag war imposant. In der Riesenhalle liegt die Disney Destiny, 340 Meter lang, 40 Meter breit und ab November mit etwa 3000 Gästen auf den Weltmeeren unterwegs. Demnächst wird sich das Kreuzfahrtschiff auf seine erste und vermutlich auch schwierigste Fahrt begeben: auf die Ems. Diverse Nadelöhre müssen auf dem Weg zur Nordsee bewältigt werden.
An Bord der NAJADE schaffen wir heute von Papenburg nach Leer die Engstellen problemlos. Wir passieren die Friesenbrücke in Weener. Hier bleiben den Meyer-Giganten jeweils nur noch ein paar Meter Freiraum links und rechts. Die steigenden Anforderungen der Meyer Werft sind ein Grund, dass die Eisenbahnbrücke neu gebaut wird.
Der Hauptgrund liegt jedoch zehn Jahre zurück. In einer Dezembernacht 2015 wurde die Friesenbrücke von einem Frachter gerammt und um einige Meter verschoben. Totalschaden! Der Grund für die Havarie führt zu Kopfschütteln. Der diensthabende Brückenwärter kommunizierte mit dem Kapitän des Frachters auf Deutsch. Doch dieser sprach nur Englisch. So ging die Nachricht unter, dass die Brücke geschlossen ist. Der auf dem Frachter mitfahrende Lotse machte ebenfalls einen Fehler. Er interpretierte die Scheinwerfer eines Baggers am Ufer als das weisse Licht, das normalerweise eine offene Durchfahrt signalisiert.
1912 bereits passierte etwas ähnliches. Damals übersah der Lokführer eines Zuges das rote Haltesignal, die Brücke war offen, allerdings für Schiffe und nicht für die Eisenbahn. Erst im letzten Moment leitete er eine Notbremsung ein. Die Dampflok überrollte das Gleisende, fiel Richtung Fluss und wurde dann durch den Rest des Zugs gestoppt. Knapp über der Ems blieb die Maschine hängen.
Im Bau befindet sich nun die fünfte Version der Friesenbrücke, und die negativen Geschichten nehmen nicht ab. Unter der Hand munkelt man, dass sich hier das gleiche abspielt, wie beim Bau des neuen Berliner Flughafens. Die Brücke sollte schon längst fertig sein, doch der Eröffnungstermin steht in den Sternen. Ursprünglich hätte der Bau etwas mehr als 100 Millionen Euro kosten sollen, unterdessen übersteigen die Baukosten einer Viertelmilliarde.
Die imposante Friesenbrücke lassen wir hinter uns. Etwas weiter flussabwärts kommt uns das Museumsschiff „Prinz Heinrich“ entgegen. Der Dampfer macht Ausflugsfahrten ab Leer. Er wir zu unserem Lotsen zum Sportbootliegeplatz zuhinterst im Stadthafen Leer. Um 17.30 Uhr öffnet jeweils am Sonntag die Seeschleuse. Zusammen mit dem Dampfer und zwei weiteren Sportboot geht es etwa 30 Zentimeter abwärts. Die Rathausbrücke öffnet sich jeweils gleich anschliessend. Der Brückenwärter ist gleichzeitig Hafenmeister. Er ruft uns zu, einen Liegeplatz an Backbord zu wählen. Das letzte Hindernis ist der geschwungene Fussgängersteg. Die Durchfahrtshöhe beträgt rund 4,3 Meter, NAJADE passt durch. Und jetzt Feierabend.
Die letzten zwei Tage haben wir in Papenburg die Freundschaft unter Gleichgesinnten erlebt. Zusammen mit uns waren sechs Boote des Wassersportvereins Wulsdorf Bremerhaven in der Marina Turmkanal zu Gast. Wir haben uns bestens verstanden, erhielten wertvolle Tipps und wir fuhren am Sonntag gemeinsam los, zuerst unter den geöffneten Eisenbahn- und Strassenbrücken durch, und dann in die Seeschleuse. Erinnerungen an die Motorbootparade am Hafengeburtstag in Hamburg kamen auf. In der Ems wählten die Bremenhavener den Weg flussaufwärts nach Oldenburg, und wir drehten in Richtung Leer ab.
Hafeninfo: In Leer gibt es links und rechts im Stadthafen diverese Anlegemöglichkeit. Zuständig ist der Hafenmeister, der sein Büro im Motorboot HEIMAT hat, direkt neben dem Museumsdampfer PRINZ HEINRICH. Die Tolietten, Waschmaschinen (Schlüssel 50 € Depot) und Duschen finden sich im Gebäude der Tourismusinformation. Der Zutritt kostet 50 Cent, Duschen 1 €. Achtung: von 20 bis 07 Uhr ist der Zugang geschossen!
Gefahrene Distanz: 21 km inkl. 2 Schleusen (Motor: 3397 h).
Dienstag 17.Juni 2025, Leer-Emden: Jamaica ahoi! Mitten in Emden lädt uns die Karibik ein, inklusive Sandstrand und lateinamerikanischen Klängen. Wir haben NAJADE direkt gegenüber den Liegestühlen parkiert im Stadtzentrum parkiert. Hier kann es zwar am Wochenende laut werden, doch unter der Woche wird die Strandbar um 21 Uhr geschlossen.
Den Abfahrtstermin für die Fahrt von Leer nach Emden gibt der Hafenmeister vor. „Ihr müsst um 7.30 Uhr ablegen, danach öffne ich die Rathausbrücke und dann kommt ihr genau richtig zur Seeschleuse“, hat er uns am Vorabend verkündet. So machen wir es, und alles klappt bestens.
Draussen in der schmutzigbraunen Ems rutschen wir mit der Tide flott zu Tal und sind bereits um halb elf Uhr in Emden. Kurz später können wir in der grossen Seeschleuse zusammen mit einem Schlepper in den Binnenhafen einfahren. Somit wäre ein Anlegen im alten Stadthafen noch vor dem Mittag möglich. Das Stellwerk der Deutschen Bahn macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die Brücken (Eisenbahn-, Strassen- und Fussgängerbrücke) werden erst um 13.55 Uhr geöffnet, heisst es auf telefonische Anfrage. Wir drehen eine Zusatzrunde durch den Hafen und geniessen das Sommerwetter.
Im Alten Stadthafen hat es viele freie Liegeplätze. Wir konsultieren den Hafenmeister. Er empfiehlt uns, gegenüber der Strandbar festzumachen. Der Platz ist gut, ein bisschen Hintergrund-Rambazamba kann nicht schaden und hält jung.
Gefahrene Distanz: 34 km inkl. 2 Schleusen (Motor: 3402 h).
Donnerstag 19. Juni 2025, Emden-Delfzijl: Einmal mehr bahnt sich wettermässig ein wunderschöner Tag an. Blauer Himmel und angenehme Temperaturen bereits beim Morgenessen, einfach herrlich. Vor einem Jahr zur gleichen Zeit war es komplett umgekehrt: nass, kalt und unfreundlich.
Das Sommerwetter hatten wir gestern zu einem Ausflug nach Borkum genutzt. Wir erreichten die Insel mit der Fähre (2 Stunden Fahrzeit) und hatten etwa sechs Stunden Zeit, den „grössten Sandhaufen Deutschlands“ zu erkunden. Drei Stunden wanderten wir dem Strand entlang und den Rest brauchten wir für die innerliche und äusserliche Kühlung. Ein Highlight ist im Fährenticket inbegriffen: Die Fahrt mit der Inselbahn, der Kleinbahn, vom Hafen ins Städtchen.
Heute Morgen richten wir den Starttermin wiederum auf die Öffnung der Eisenbahnbrücke vor dem alten Binnenhafen Emden aus. Sie hebt sich nur alle zwei Stunden, jeweils fünf Minuten vor dem Stundenschlag. Wir nutzen den Slot um 08.55 Uhr. Das passt optimal zur nachfolgenden Öffnung der Seeschleuse.
Draussen in der Ems erleben wir, wie das Schifffahren unter Umständen dumm enden kann. Uns kommt der Seenotkreuzer entgegen, und weiter weg dreht ein Schiff der Küstenwache Kreise. Dann sehen wir den Grund für das Aufgebot: auf dem steinigen Leitdamm hängt ein Sportboot in der Luft. Bei Hochwasser ist der Damm jeweils komplett überspült. Jetzt, bei halbem Niedrigwasser ragt der Steinwall etwa einen Meter aus dem Wasser. Der Bootführer hat vermutlich am frühen Morgen die Untiefe unterschätzt und ist voll auf die Steine gefahren. Wir hoffen, dass er das Malheur unverletzt überstanden hat.
Kurz vor der Einfahrt in den Kanal, der nach Delfzijl führt, wechseln wir die Gastflagge. Die Niederlande sind das fünfte Land, das wir seit unserer Abfahrt aus Rheinfelden vor drei Jahren kennen lernen. Die ersten Eindrücke sind noch nicht so überwältigend. Industriebauten und Windkraftwerke säumen den Kanal, dazwischen eine Raffinerie, und aus einem dunklen Loch fliesst eine schäumende Brühe ins Wasser. Doch bei der Einfahrt in die Neptunus-Marina in Delfzijl wird Holland schöner und schöner. Die Hafenmeisterin hisst die Schweizer Fahne und im Hintergrund ragt eine richtige Windmühle in den Himmel.
Gefahrene Distanz: 22 km, inkl. 1 Schleuse (Motor: 3405 h).
Freitag 20. Juni 2025, Delfzijl-Groningen: Schmucke Backsteinhäuser am Rande des Kanals, und eine Windmühle. Unser Bild des Tages löst vermutlich bei allen traditionellen Holland-Schiffern nur ein müdes Lächeln aus. Für uns Friesland-Greenhörner war es aber ein toller Tag, und ein spannender erst noch.
Das beginnt bei den Hubbrücken, und den diversen Signallichtern an den Brücken. Wir sind vom Rhein, von den französischen Kanälen und von den strikten deutschen Fahrregeln her gewohnt: Rot heisst Rot, respektive bei Rot keine Durchfahrt. Hier leuchtet das Signal Rot, dazu gesellt sich ein grünes Licht und noch zwei orange dazu, die Brücke hebt sich langsam und wir warten, bis dann irgendeinmal nur noch Grün leuchten wird. Nein, nein, das geht viel zu lange. Der Frachter vor uns schiebt seinen Bug bei Dunkelrot unter die sich aufrichtende Brücke. Auch das Heck rutscht durch, dann wird es erst grün. Bei der nächsten Brücke warten wir wieder. Diesmal macht ein einheimisches Sportboot von hinten Druck. Und wieder sind wir Rotlicht-Sünder.
Die holländische Gelassenheit haben wir schon am Morgen in Delfzijl kennen gelernt. Mit Schweizer Gründlichkeit bereiten wir uns auf die Etappe auf dem Ems-Kanal nach Groningen vor. Auf der Waterkaarten-App poppt plötzlich eine Nachricht auf. „Am 20. Juni 2025 ist die Seeschleuse Farmsum von 09.30 bis 16.30 Uhr wegen Reparaturarbeiten für alle Schiffe gesperrt“, heisst es da. Was? Kann das sein? Wir fragen unseren holländischen Stegnachbar: „Unmöglich, kann nicht sein. Gestern fuhren wir ohne Probleme noch durch die Schleuse, heute wird sich da nichts ändern“, meint er, und auch seine Frau, die offensichtlich für die Navigation zuständig ist, schüttelt nur den Kopf: „Das kann nicht sein“. Wir sind ein wenig verunsichert und funken direkt die Schleuse an. Mit dem Ergebnis, dass wir das ausgedehnte Morgenessen abbrechen, die Leinen lösen und mit voller Kraft die Schleuse ansteuern. Dort stehen bereits ein paar Techniker und ein Kranschiff bereit, um einen Hydraulikzylinder am Schleusentor auszuwechseln. NAJADE darf noch durch, wenig später wird die Schleuse auf Doppelrot gesetzt.
Aber Holland ist schön, und das Schifffahren in Holland erst recht.
Gefahrene Distanz: 28 km, inkl. 1 Schleuse (Motor: 3408 h).
Sonntag 22. Juni 2025, Groningen-Zoutkamp: Es ist Sonntag. Alles läuft ein wenig ruhiger ab als unter der Woche. Auf dem Wasser hingegen steigen die Aktivitäten, viele grosse und kleine Boote sind unterwegs. Wir reihen uns in die Parade der Sonntagsfahrer ein und verlassen via Nieuwe Oostersluis Groningen in Richtung Nordwesten.
Das Wetter ist drückend heiss und aus Westen ziehen dunkle Wolken heran. Der Blick aufs Wetterradar bestätigt unsere Einschätzung: Es wird Regen geben, draussen in der Nordsee gewittert es bereits.
Nach ein paar Kilometern biegen wir rechts in das Reiterdiep ein. Der Wasserweg ist eine Mischung zwischen Kanal und Fluss, viel Geschichte ist mit dem Reiterdiep gekoppelt. Groningen erhielt dadurch einen Seeanschluss, als Hansestadt ein wichtiges Kriterium.
Wir passieren Garnwerd mit der Windmühle, und den Waterwolf, das anno dazumal grösste Pumpwerk von Holland. Kühe und Schafe weiden am Ufer, Schwimmer kühlen sich im Wasser, nach der quirligen Stadt Groningen steht heute die ruhige Natur im Vordergrund. Bei zwei Brücken bauen wir das Verdeck ab, um ohne Hebevorgang durchzurutschen. Dann montieren wir das Verdeck schnell wieder, weil die ersten Regentropfen vom Himmel fallen.
Die Einfahrt in Zoutkamp ist beeindruckend. Es riecht nach Fisch und die farbigen Fischerhäuser am Quai können es durchaus mit den Impressionen von weit nördlicheren Hafenkulissen in Schweden oder Dänemark aufnehmen. Festgemacht wird im Haven Hunzegatt. Wir gehen zum Sonntags-Apéro über und schwitzen ein wenig, weil wir wegen Wind und Regen die kühlende Zugluft nach Aussen verbannt haben.
Gefahrene Distanz: 34 km, inkl. 1 Schleuse (Motor: 3412 h).
Mittwoch 27. August 2025, Jirnsum-Sneek: Nach der langen Sommerpause daheim haben wir am Montag unsere NAJADE wieder geentert. Sie war seit Mitte Juli bei RFU in Jirnsum parkiert.
An Bord alles ok, am Morgen springt die Maschine beim ersten Dreh an. Wir fahren heute im Zweier-Konvoi. Voraus weist die DENIA mit Susanne und André den Weg und wir hängen uns ins Kielwasser. Ein kräftiger Südwestwind mischt das Wasser im Sneekermeer auf, doch für gröbere Wellen reicht es noch nicht.
Etliche Boote sind unterwegs. Das Ferienende zeigt sich auf den Wasserwegen in Friesland noch nicht flächendeckend.
Die DENIA-Crew leitet uns direkt zur Lemmerbrugg und damit zum Wassertor, dem Wahrzeichen der Stadt. Kurz vor elf hebt sich die Brücke, wir rutschen durch und legen gleich dahinter an. Wir haben uns den besten Platz ergattert, ein Logenplatz! Vor der Brücke kommt es immer wieder zu Stausituationen, was den Manöverierraum für die wartenden Boote einengt. Auf dem Wasser wird es dann manchmal etwas hektisch, und wir schauen zu.
Hafenkino ist das eine, doch besser ist ein Spaziergang durch die nahe Altstadt. Suzanne übernimmt die Führung, sie kennt in Sneek jede Ecke und jedes Geschäft, und auch den schönsten Platz für ein kühles Bier.
Gefahrene Distanz: 15 km (Motor: 3440 h).
Freitag, 29. August 2025, Sneek-Langweer: Gegenüber unseres Liegeplatzes in Sneek steht eine Abpumpstation für Schwarzwasser. Ab und zu legt ein Boot dort an, offenbar funktioniert die Anlage. Wir nutzen die Gelegenheit und verlegen uns an den Steg vis à vis. Tatsächlich, alles läuft bestens. Der Saugrüssel passt, der Absperrhahn auch, nach dem wir den Griff um 180 Grad gedreht neu montiert haben. Vorher verhinderte der Absperrhebel ein voillständiges Einführen des Saugstutzen ins Abpumprohr. Wir starten die Pumpe, und zügig ist unser Tank leer. Zeitbedarf für die Zusatzschlaufe: 10 Minuten.
Für unsere heutige Etappe nach Langweer übernimmt zu Beginn DENIA mit Susanne und André die Führung. Wir fahren die Route via GEEuw, IjlstWijde Wijmerts, Jeltesleat in den Prinzess Margrietkanaal. Hier biegen wir gleich wieder backbord ab, queren den See De Kûfurd in der betonnten Fahrrinne und erreichen so den Langweerderwielen. Nun fährt NAJADE voraus. Unsere Navionicskarte enthält genaue Tiefenangaben und wir können Langweer direkt ansteuern.
Im neuen Passantenhafen winkt die Hafenmeisterin bereits. Sie kennt die DENIA und ihre Crew von früher. Wir können längs am Kai vor der kleinen Fussgänger-Ziehbrücke festmachen. Es ist schön ruhig hier. Blauer Himmel, weisse Wolken, leichter Wind aus Südwest, Ferienwetter!
Gefahrene Distanz: 19 km (Motor: 3443 h).
Samstag 30. August 2025, Langweer-Stavoren: Der Hafen von Langweer hat sich gestern Freitag gegen Abend gut gefüllt. Vielleicht liegt der Grund dafür beim Dorffest, das exakt dieses Wochenende stattfindet. Susanne von der DENIA hat dies bei der Wahl von Langweer als Übernachtungsort vermutlich eingeplant, um uns Friesland-Greenhörnern einen authentischen Einblick in die friesische Lebensfreude zu vermitteln.
Nun, die Festivitäten-Latte wurde nicht allzu hoch gesetzt (sagen die, die jeweils an der Badenfahrt mitfesten….). Einmal die Hauptgasse hoch und zurück, das wars. Ein bisschen Stimmungsmusik, ein bisschen Kneipen-Skihütten-Gaudi, ein lautes Kettenkarussell, eine Schiessbude und zwei Streetfood-Wagen mit Süssigkeiten, aber viele gut gelaunte Gäste. In einer Nebenstrasse leuchtete eine Allee mit weissen Schwänen, durchaus ein schöner Ansatz für die nächste Weihnachtsbeleuchtung.
Wir lassen Langweer mit guten Erinnerungen hinter uns und navigieren durch die Kanäle und Seen an Heeg vorbei westwärts. Der kräftige Wind und das schöne Wetter locken eine Armada von Seglern aufs Wasser. Die Stangenboote mit ihren Tüchern haben bekanntlich Vorfahrt, eine vorausschauende Fahrweise ist angesagt. Wir winken bei den Begegnungen jeweils freundlich, doch nicht alle erwidern den Gruss zurück. Ja, ja, die Segler.
In Stavoren lotst uns die DENIA an einen schönen Liegeplatz unter den Bäumen, nah bei der Schleuse und dem Fischbrötchen-Stand. Perfekt! Wir spazieren über den Deich, geniessen den weiten Horizont des Ijsselmeers und die farbigen Häuschen hinter dem Deich, und haben das Gefühl, statt in Holland irgendwo in der dänischen Inselwelt unterwegs zu sein.
Gefahrene Distanz: 31 km (Motor: 3446 h)
Montag 1. September 2025, Stavoren-Medemblik: Beim Ijsselmeer ist es wie bei der Loreley und der berüchtigten Rhein-Bergstrecke. Man hört und liest vor allem abenteuerliche Geschichten und andere Schiffe berichten von schwierigen Verhältnissen. Wenn man dann selber durchfährt, ist alles halb so schlimm.
Wir begegnen der heutigen Querung des Ijsselmeers mit viel Respekt. Zudem windet es am Morgen ziemlich stark, so etwa mit vier bis fünf Windstärken. Also spazieren wir zuerst auf den Deich und schauen, wie es draussen aussieht. Gar nicht so schlimm. Gegen Mittag soll der Wind abnehmen, prognostizieren diverse Wetterberichte.
Dass wir es nicht so eilig haben, hat einen zweiten Grund. NAJADE trennt sich von DENIA. Susanne und André bleiben noch einige Tage in Stavoren. Eine Woche waren wir zusammen auf Fahrt und hatten eine sehr gute Zeit. Die beiden kennen in Friesland einfach jede Ecke, und haben immer wieder Tipps und Infos bereit, um uns Holland-Neulinge zu unterstützen. Wir schwatzen noch ein wenig länger, um den Abschied hinauszuzögern. Und die dritte der DENIA-Crew, Aila, hüpft herum und bellt. Tschüss!
Beim Einbiegen in den Kanal steht die Johan Friso Sluis offen, doch das Signal springt auf Rot. Um dann gleich wieder grün anzuzeigen. Wir bedanken uns via Funk für die Freundlichkeit und lassen uns etwa einen Meter aufwärts ins Ijsselmeer heben.
Ausserhalb des geschützten Vorhafens ist es mit der Freundlichkeit vorbei. Über die offene Wasserfläche ziehen dunkle Wolken, eine düstere Stimmung macht sich breit, an der nur die Surfer Freude haben. Sie nutzen den Südwestwind für einen rasanten Ritt, und wir wechseln in den wiegenden Kamelschritt. Es hat Wellen, aber keine schlimmen. „Das überstehen wir“, sprechen wir uns Mut zu und beschliessen, nicht umzukehren.
Die Überfahrt läuft bestens. Ziemlich tief entspannt kommen wir in Medemblik an, und folgen einem weiteren Tip von Susanne. „Links in den Hafen, legt gleich vor dem Schloss an“, hatte sie geraten. Ein wunderschöner Platz! Sehr ruhig, bis eine grosse Segelyacht mit einer bulgarischen Crew neben uns festmacht. Bei der Mannschaft handelt es sich um Jugendliche mit einem Betreuer, der nur laut reden kann. Sie räumen das ganze Schiff aus und legen alles zum Trocknen auf die Wiese. Dann folgt kübelweise Wasser aus dem Innern. Vermutlich lief ihre Ijsselmeer-Querung nicht so gemütlich ab wie unsere.
Gefahrene Distanz: 22 km, inkl. 1 Schleuse (Motor: 3449 h).
Dienstag 2. September 2025, Medemblik-Den Helder: Der Hafenmeister von Medemblik betreibt einen kleinen Shop mit Wassersportzubehör. In der Auslage findet sich ein dunkelblauer Fenderstep. Er ersetzt unser weiss bemaltes Exemplar, das unterdessen den Geist komplett aufgegeben hat. Gegen 10 Uhr legen wir ab und passieren die Westerhaven Sluis in Richtung Westfriesche Vaart. Die Overleker Sluis befördert uns nochmals fast vier Meter abwärts. Insgesamt liegen wir nun rund 6 Meter tiefer als die Oberfläche des Ijsselmeers.
Die Provint Nordholland präsentiert sich anders als das beschauliche Friesland. Wir duchfahren eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Region. Gleich ausserhalb von Medemblik durchqueren wir ein Areal mit riesigen Hallen. Hier befindet sich einer der weltweitgrössten Tomaten- und Gurken-Produzenten, der mit modernster Agrartechnologie produziert. Nun wissen wir, woher das Hors-Sol-Gemüse in demn Gestellen unseren Grossverteilern daheim stammt.
Die Fahrt geht weitgehend gerade aus. Höhepunkt ist Hubbrücke Hoornse Brug. Sie führt die vierspurige Autobahn A7 über den Kanal. Nach einer Viertelstunde Wartezeit beginnen die Schranken zu bimmeln und senken sich. Innert Kürze staut sich der Verkehr auf allen Fahrspuren, die Brücke hebt sich, und wir fahren durch. Man stelle sich vor, irgendwo in der Schweiz wird der Verkehrsfluss auf der Autobahn unterbrochen, damit ein kleines Schiff seine Reise fortsetzen kann...
Gespannt sind wir auf das Amstelmeer, gibt's dort etwa gratis Bier? Nö, aber die Landschaft gewinnt wieder an Schönheit. Schwärme von tröötenden Gänsen fliegen in Pfeilformation über uns hinweg. Im See könnte man gut ankern, ein schöner Ort. Doch uns zieht es nach Den Helder. Drei Schleusen bringen uns wieder aufwärts beinahe auf Meeresniveau. In Den Helder legen wir beim Verein Marine Watersport Association (MWV) an. Wir werden freundlich empfangen, der Hafenmeister hilft beim Belegen der Leinen. Er rät uns, NAJADE gut zu sichern, denn für Mittwoch ist Sturm angesagt.
Gefahrene Distanz: 36 km (Motor: 3454 h).
Donnerstag 4. September 2025, Den Helder-Alkmaar: Der für Mittwoch vorhergesagte Sturm ist eingetroffen. Wir sind froh, in Den Helder an einem gut geschützten Liegeplatz zu liegen. Die heftigen Böen sind von Starkregen begleitet, mit trockenen Abschnitten zwischendurch. Dieses Wetter ist nichts für Ausflüge, wir verlagern unsere Aktivitäten in den Innendienst und unterziehen Bugstrahler und Seewasserpumpe einer Komplettrevision. Das gibt zwar schwarze Hände, aber ein gutes Gefühl, was die Verlässlichkeit Schiffstechnik anbelangt.
Am Donnerstag bläst es noch immer, doch nicht mehr so stark. Wir starten um 10 Uhr die Etappe nach Alkmaar mit Gegenwind und kommen trotzdem gut voran, da sich die Brücken unterwegs jeweils fast ohne Wartezeiten für uns öffnen. Die Fahrt auf dem Nordhollandsche Kanaal entpuppt sich als ziemlich eintönig. Links und rechts des Kanals donnern ununterbrochen Autos und Lastwagen vorbei. Auf dem Wasser kommen uns zwei Boote entgegen, mehr läuft nicht. Erst gegen Alkmaar hin wird das Umfeld wieder spannender. Auf der Eisenbahnbrücke wieseln Maler herum, der Brückenmeister bittet uns um etwas Geduld. Gleich dahinter pinkelt ein riesiger Eisbär ins Wasser. Er gehört zur Kunstausstellung Triënnale Alkmar und wurde vom Bildhauer Florentijn Hofmann geschaffen.
Um 14 Uhr legen wir an der Meldekade beim Hafenmeister-Turm in der Altstadt an. Wir klopfen an seiner Bürotüre an. Zuerst regt sich gar nichts, und dann schaut ein verschlafener Kopf aus dem Türspalt. Wir entschuldigen uns für die Störung, und er entschuldigt sich für das Nachmittagsnickerchen. Er bietet uns in einer Viertelstunde eine Brückenöffnung an, damit wir in die Gracht Lutik Oudorp einfahren können. Dort ist es deutlich ruhiger als direkt am Kanal, und der Kaasmarkt, wo am Freitagmorgen das Käsemarktspektakel stattfinden wird, befindet sich gleich um die Ecke.
Gefahrene Distanz: 40 km (Motor: 3460 h).
Samstag 20. September, Walengracht-Echtenerbrug: Nach längerem Unterbruch wieder mal ein Beitrag von Bord der NAJADE. Über zwei Wochen ist es her, seit wir in Alkmaar angelegt haben. Dann überstürzten sich die Ereignisse, jedenfalls für mich. Der Rest der Crew und die halbe Welt wussten Bescheid, nur ich nicht. Und so war’s: Wir sitzen gemütlich beim Apéro auf dem Käsemarktplatz als plötzlich ein kleiner Bub neben mir steht und mich mit grossen Augen mustert. Meine Augen werden noch grösser! Da steht doch unser dreijähriger Enkel! Und dahinter unsere drei Töchter mitsamt dem zweiten Enkelkind, Familie und Freunden. Ein echter Überraschungsbesuch!
Gemeinsam sind wir dann als Grossfamilie nach Zaandam und Amsterdam gefahren. Dann folgte ein kurzer Heimaturlaub in der Schweiz, während die Restcrew mit NAJADE über Almeere, Harderwijk nach Elburg navigierte. Seiher sind wir wieder zu viert auf Fahrt und haben via Giethoorn und einer Übernachtung in der Walengracht im Nationalpark Werribben-Wieden in Echterenbrug erneut Friesland erreicht.
Die heutige Fahrt durch die Kalenbergergracht war eine der schönsten Strecken im Logbuch von NAJADE. Das Wetter passte zur herrlichen Landschaft und zu den noch herrlicheren Häuser links und rechts am Ufer. Wir übten das Bezahlen des Brückenzolls via Holzschuh, legten als Zugabe noch einen Schoggistengel dazu, und freuten uns, wenn sich der Brückenmeister auch freute.
Und nun hat uns der graue Himmel wieder eingeholt. Es regnet und regnet. Ein nasses Ende für einen tollen Tag.
Gefahrene Distanz: 30 km, inkl. 1 Schleuse (Motor: 3484 h).
Sonntag, 21. September 2025, Echterenbrug-Sneek: In der Nacht erreicht der Wind Sturmstärke. NAJADE ächzt, die Fender quietschen und die Taue knarren. Alles Faktoren, die gegen einen tiefen Schlaf sprechen. Gegen Morgen setzt zudem noch Regen ein. Das Aufstehen wird zur zähen Sache.
Nach der Konsultation der Wetter- und Windapps zeichnet sich erst nach dem Mittag eine Entspannung der Lage ab. Somit verschieben wir das Ablegen auf 13.30 Uhr. Ein weiser Entscheid, unterdessen drückt die Sonne durch und der Seegang auf dem Tjeukemeer hat ein passables Level erreicht. Es schaukelt nur schwach.
Wir stehen mit der DENIA in Sneek in Kontakt. Susanne berichtet von abnehmenden Wind. Ab 14 Uhr öffnen sich in Sneek die Hub- und Klappbrücken wieder. Vorher hatten sie den Betrieb eingestellt, weil der Sturm die Marke von 7 Beaufort überschritt.
Gemütlich rutschen wir nordwärts. Ein Holländer überholt uns, um dann vor der Autobahnbrücke im Scharsterrijn den Wartesteg anzupeilen. Nun spielt NAJADE ihre Vorteile aus. Innert zwei Minuten legen wir das Verdeck flach und gleiten unter der Doppelbrücke mit 3,5 m Durchfahrtshöhe durch. Vom Holländer gibts Applaus.
Die Anfahrt nach Sneek via Wite Brekken und Wâldfeart lohnt sich. Sanft gleitet man Richtung Stadt und durchquert Quartiere, bei denen nicht das Auto vor dem Haus parkt, sondern die 15-Meter-Stahlyacht. Max. 4.60 m Durchfahrtshöhe ist die Vorgabe. Letztes Hindernis ist die Woudvaartsbrug. Der Brückenmeister nimmt das Telefon ab und verspricht eine Wartezeit von einigen Minuten. Kaum aufgelegt, radelt er schon mit dem Velo heran. Noch schneller ist Susanne von der DENIA bei uns. Sie begleitet uns als Lotse auf den letzten Metern bis zum Kolkhafen vor dem Wassertor.
Der Liegeplatz ist derselbe wie vor dreieinhalb Wochen, ein sehr sicherer Ort, denn eine Webcam überwacht das gesamte Areal. "NAJADE ist wieder auf Sendung", geben wir nach Hause durch. Von jetzt an ist jede unserer Bewegungen im Fokus der Daheimgebliebenen. Egal, gemeinsam mit der DENIA-Crew feiern wir das Wiedersehen. Es gibt viel zu erzählen.
Gefahrene Distanz: 24 km (Motor: 3490 h).
Dienstag 23. September 2025, Sneek-Earnewâld: Eine Tankstelle prägt die Reiseroute von heute. Und wir erfahren von einer tragischen Geschichte am Rande unserer Strecke. Sowohl DENIA wie NAJADE haben freie Tankkapazitäten, Ziel ist es, vor dem Saisonschluss den Tank zu füllen. Die weitherum günstigste Zapfsäule mit GTL-Diesel befindet sich bei der Fonejachtbrug am Prinses Margriet Kannal (ca. Kanalkm. 76). Als Zielort für die Übernachtung programmieren wir Grou. Doch es kommt anders.
Punkt 9 Uhr legen wir in Sneek ab. Vorher geht nicht, denn die Lemmerbrug nimmt erst um 9 Uhr ihren Betrieb auf. DENIA und NAJADE reihen sich hinter einem kleinen Schleppverband ein, der einen Verputzsilo auf einer Barge transportiert. Das Berufsschiff sorgt für offene Brücken, dafür geht es ein wenig langsamer als normal vorwärts. In der Nacht hat es geregnet, doch jetzt scheint die Sonne, bestes Reiswetter.
Kurz vor der Fonejachtbrug passieren wir den Frachter SPES VERA. Er hat am Rande des Kanals festgemacht. Zwei Polizeifahrzeuge stehen dahinter am Ufer. Susanne klärt uns via Telefon auf, sie hat im Binnenskipper-Forum gelesen, was gestern Montagnachmittag hier passiert ist. Offenbar rammte das Berufsschiff nach der Passage der Brücke ein vor ihm fahrendes Sportboot aus Deutschland. Dieses kenterte sofort und sank Bug voran ab. Der Frachter stoppte, der Tankwart der nahen Tankstelle sah, dass vom umgekippten Sportboot nur noch das Heck aus dem Wasser ragte. Ein Grossaufgebot von Rettungskräften rückte aus. Nach knapp einer Stunde gelang es Tauchern, zwei Personen aus dem Schiff zu bergen. Die 69-jährige Frau verstarb auf der Unfallstelle, deer 76-jährige Mann wurde verletzt ins Spital überführt. Nun laufen die Abklärungen über den Unfallhergang. Der Kapitän der SES VERA sitzt in Untersuchungshaft.
Die tragische Geschichte macht uns betroffen, und wir ratschlagen, was wir in einer solchen Situation machen würden. Innert Sekunden verändert sich eine ganz normale Situation zur Katastrophe, das Schiff kippt, und man ist eingeschlossen. Und nun?
Bei der Tankstelle legen wir an, und lesen am Schild "Heute geschlossen". Na sowas, gestern hatte der Tankwart am Telefon nichts davon gesagt. Also ändern wir die Route. Die nächste GTL-Tankstelle befindet sich in Earnewàld, knapp eine Stunde entfernt. Die Planänderung führt uns durch eine schöne Seenlandschaft in einem Naturschutzgebiet zu einem freundlichen Tankwart. Wir bunkern unsere Tanks voll, erhalten einen grosszügigen Rabatt auf den Literpreis und können zusätzlich noch unsere Gasflasche auffüllen lassen. Super Service! PS: Geputzt haben wir unterwegs auch noch. Die Fender strahlen fast alle wieder weiss.
Gefahrene Distanz: 33 km (Motor: 3494 h).
Mittwoch 24. September 2025, Earnewâld-Terherne: Die letzten Kilometer zum Winterlager sind stets mit Emotionen verbunden. Man weiss, dass die Reise nun zu Ende geht, freut sich auf die Heimkehr nach Hause, und bedauert trotzdem, von Bord gehen zu müssen. Die Fahrt von Mölln am Elbe-Lübeck-Kanal nach Terherne in Friesland hat uns so viele schöne und unvergessliche Eindrücke und Erlebnisse bescheert. Es war einfach toll. Unterwegs ist uns und unserer NAJADE nichts Schwerwiegendes passiert.
Die Sonne begleitet uns auf der Abschiedsetappe. Wir geniessen die friesische Natur im Nationalpark De Alde Feanen nochmals ausgiebig, passieren Grou und verabschieden uns wenig später von Susanne und André auf der DENIA. Sie biegen nach steuerbord in Richtung Jirnsum ab. Wir winken und winken. Dann heisst es auch bei uns Motor aus. Wir legen NAJADE in der Marina De Hoorne bei Terherne Nautic an den Aussensteg bei der Tankstelle. Das ist der provisorische Liegeplatz für etwa drei Wochen. Danach wird unser Schiff an den neu gebauten Steg direkt vor der Halle verschoben. Dort ist das Wasser ruhiger und die Halle gibt ein wenig Windschutz. Weil für die Verlegung nochmals der Motor gebraucht wird, wintern wir nur das Brauchwassersystem mit dem Boiler ein. Der Motor wird dann durch die Werft frostsicher gemacht. Das Verdeck bauen wir komplett ab.
Da NAJADE im Wasser bleibt, montieren wir nach vier Jahren Pause erstmals wieder das Winterverdeck. Dieses war letztmals in Rheinfelden im Einsatz. Zuunterst im Stauraum graben wir die zusammengefaltete Blache aus und befestigen sie provisorisch über der Flybridge und der Heckterasse. Tja, das passt ja gar nicht so schlecht. Mit zusätzlichen Temax-Knöpfen fixieren wir lose Partien, ein Bündel Dachlatten hält die Blache straff. Ab nun kommen wir nur noch kriechend ins Innere. Unter der blauen Blache riecht es zudem wie im Zirkuszelt wenn die Kamele und Elefanten auftreten. Anyway, für die letzte Nacht an Bord ist das nicht so tragisch.
Gefahrene Distanz: 17 km (Motor: 3496 h).
INFOS PLANUNG SOMMERREISE 2025
→ Google Maps mit Liegeplätzen (Karte von Binnenskipper Hachi Brüngger)
Elwis Elbe-Lübeck-Kanal: km 29.5, 2 km nach Mölln Rtg. Lauenburg, Ufersicherung, Begegnungsverbot, 6 km/h
Routenvarianten
- Mölln-Hamburg-Cuxhaven-Nordsee-Bremerhaven-Wilhelmshaven-Emden-Friesland-Amsterdam: 652 km
- Mölln-Hamburg-Bremen-Bremerhaven-Wilhelmshaven-Amsterdam: ca. 1000 km
- Mölln-Hamburg, Cityhafen: 90 km
- Hamburg-Bremerhafen (via Nordsee): 191 km, Cuxhafen-Bremerhaven: 110 km
- Hamburg-Bremerhafen via MLK: 505 km
- Bremerhaven-Wilhelmshafen via Watt 53 km (Weser zu Berg mit ablaufendem Wasser)
- Bremerhafen-Wilhelmshafen via Fahrwasser Mellum: 88 km
- Hafen Stade
Allgemeine Infos, Nordsee
- Umfassende und aktuelle Linksammlung mit Häfen und Infos
- Wattenschipper
- Landesverband Motorbootsport Niedersachsen (Karten und Revierinfos)
- Planungschat Boote Forum
Infos Bremerhafen-Wilhelmshafen
- Hoher Weg, durchs Watt 1
- Hoher Weg, durchs Watt 2
- Wattsegler
- Videos von Julian Buss über das Wattfahren zwischen Cuxhaven und Wangeroge
- Juni 2023, Bericht ostfriesisches Wattenmeer
- Boote Forum, Inseln im Watt
- Das Buch dazu: Das Rätsel der Sandbank, von Erskine Childers
App für die Navigation in Tidengewässern
Friesland
Deutsche Übersetzung BRP (Binnenschifffahrtsreglement Neiderlande)